HIER UND JETZT . Hélène Cagnard

 

(...) Susanne Schär und Peter Spillmann haben im Winter 2004 für die Ausstellung Regionale 5 im [plug.in] Basel die Installation Raumlinie realisiert, bestehend aus einem nachleuchtenden Malstreifen, der in regelmässigen Abständen beleuchtet wurde und so eine neue Raumerfahrung ermöglichte. Bei Licht war der ganze Raum sichtbar, in der Dunkelheit löste er sich auf, nur das Leuchtband als vergängliche Spur wurde sichtbar. Die Raumerfahrung wurde zur Grenzerfahrung.

In der Installation woanders aus dem Jahr 2003, im Schaufenster der Galerie Wilfrid von Gunten in Thun, veranschaulichte eine Grenzmarkierung sowohl Trennungslinie wie auch Anschlusslinie. Das Gefüge war den Holzstegen, wie sie in Finnland von den Saunas zum Wasser führen, nachempfunden. Diese Brücken sind nicht nur Übergänge, sondern auch Plattformen, auf denen Bänke zum Verweilen einladen. In der Installation zeichnete das Licht in weiss und blau eine horizontale Grenzlinie. Diese unbegehbare Installation offenbarte auch eine Isolation. Die Grenzen zwischen zwei Räumen, oder was einen Raum gegenüber einem anderen Raum als solchen definiert, stehen im Zentrum von vielen, auch unveröffentlichten Projekten der beiden Künstler. Die Videoinstallation Longing (2001/2002) verbindet beides, räumliche Gegensätze wie Zeitverschiebungen: die Personenumfrage zur Sommerzeit findet in einer Winterlandschaft statt und umgekehrt ist eine Sommerlandschaft Hintergrund für die Befragung zur Winterzeit.

Welche Spuren hinterlässt die Empfindung einer Jahreszeit, die nicht direkt erfahrbar ist, im Gedächtnis, in der Erinnerung, und was bewirkt die Jetzt-Zeit? In der Gegenwart steckt die Vergangenheit. Die Präsentation dieser Videos als «Streitgespräch» (face-to-face) hebt den Gegensatz hervor. Und die Umgebung, ein gemütliches Wohnzimmer, liefert den zusätzlichen, räumlichen Kontrast zwischen Innen- und Aussenraum. Welche Rolle der Zeitfaktor spielt, zeigt auch das Video Vom Sein ... und anderen Dingen (2000): die Weinflasche, die sich wie durch ein Wunder von allein leert, ohne dass die beiden Gäste (die beiden Künstler) am Tisch darauf einwirkten, übernimmt hier die Rolle der Sanduhr. Man muss sie nicht einmal mehr drehen, denn wenn das Video als Endlosschlaufe wieder von vorn beginnt, ist die Flasche wieder voll und die Zeit kann erneut ihren Lauf nehmen. Dieses Video, ihr erstes Gemeinschaftswerk, verortet ihre Arbeit als Künstlerpaar im Zeichen des Zusammenseins, verknüpft damit aber auch das Alleinsein: die beiden Künstler sind nicht ständig zu zweit im Bild.

In der Audio-Video-Installation hermetic paradise (2005), die für die Ausstellung ‹Hier und Jetzt› im Ausstellungsraum Klingental Basel geschaffen wurde und die während ihres Sommeraufenthalts in Finnland entstand, laden die Künstler die Ausstellungsbesucher zu einem linearen Spaziergang ein. Die Ästhetik von Videospielen aufnehmend, führen sie den «Wanderer» in eine berauschend bunte Landschaft mit Häusernin leuchtenden Farben.

Doch diese Verführung, die auf einem Trick beruht, ist vielleicht trügerisch. Die Ausstellungseinrichtung,die das Bild in unseren Raum hinein verlängert, lässt uns die Wahl einzutreten oder nicht: der Grenzbegrifftaucht hier wieder auf. Die immer gleichen Häuser, der ewig gleiche Rhythmus der Tonspur weisen auf die Rückkehr des ewig gleichen hin. Ort und Zeit sind in eine Endlosschaufe verwickelt, die die Ewigkeit im Paradies veranschaulicht, das auch zur Hölle werden kann: als Welt ohne Überraschung. Plötzlich wird der Abstand zwischen den zuvor einladenden Häusern und dem Betrachter grösser, die Hecken und Briefkästenreihen ziehen eine immer deutlichere Linie. (...)

 

aus ‹Hier und Jetzt› – Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Ausstellungsraum Klingental Basel, 2005

 

 

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